Mittwoch, 24. März 2010

Ein Tag. (Teil 3)

Ich bin cool. Zumindest rede ich mir das ein, als ich mit Sonnenbrille den Supermarkt betrete. Oh wie ich meine dunklen Gläser liebe. Hier drinnen ist alles künstlich beleuchtet, für mich ein guter Grund die Brille aufzubehalten. Auf der Liste von Dingen die ich abgrundtief verabscheue, steht künstliches Licht ziemlich weit oben. Ich habe empfindliche und meistens sehr müde Augen und dieses eklige, kalt-blaue und viel zu helle Konsum-Licht bringt mich fast zum heulen. Mein Stirn liegt in Falten, ich kneife die Augen zusammen und in meinem Gesicht macht sich ein gestresster, verkrampfter Ausdruck breit. Ich stehe am Kühlregal und will mir den billigsten Joghurt herausnehmen als mir etwas auffällt, das da nicht hingehört. Eine Tüte mit mit dem Logo eines großen Buchhandels in der Nähe. Durch das halb-transparente Plastik erkenne ich das Cover und den Titel des Buches. Es ist ein Buch, vor dem ich mich bisher erfolgreich drücken konnte, es geht um Vampire und Werwölfe und 17-jährige Mädchen. In der Tüte liegt die Rechnung, jemand muss sie hier vergessen haben. Mit einem Funken Hoffnung (oder ist es Verzweiflung) schaue mich nach jemandem um, dem die Tüte möglicherweise gehören könnte, entdecke aber niemanden. Seufzend schaue ich das Buch an, wie es so daliegt, in der Tüte mitten im Kühlregal, zwischen Vanillepudding und Harzer-Käse. Im Geiste blicke ich fragend zum Himmel. „Ist das dein Ernst??“
Abermals seufzend nehme ich die Buchtüte und stopfe sie in den Einkaufskorb, zusammen mit dem Joghurt und einem Becher Cappuccino. Ich bezahle und trete wieder hinaus ins Sonnenlicht.

Das Wetter ist immer noch sonnig und angenehm und ich merke wie die Zerstreutheit des Vormittags einer angenehmen Leichtigkeit weicht. In der Nähe des Supermarktes setze ich mich auf eine Bank um meinen Kaffee zu geniessen und nehme das Buch aus der Tasche. Das berühmt berüchtigte Buch. Wenn man nicht weiblich, 15 und Hormongeplagt ist kann man es nur lieben oder hassen. Etwas dazwischen gibt es nicht. Vampire, Werwölfe... Ich verstehe nicht warum mystische Wesen so ausgeschlachtet werden. Aber anscheinend bin ich die einzige, die sich so profane Dinge fragt, wie: „Wie sieht Drachenkot aus?“ „Wenn ein Werwolf in Werwolfform ein Junges bekommt, ist es dann nicht eher ein Wermensch?“ „Kacken Einhörner so wie Pferde?“ Meine zynische Ader hat auf all diese Fragen eine Antwort. Mein untrüglicher Sinn für die hässliche Realität auch. Ja, auch Einhörner kacken mal. Hin und wieder furzen sie sogar rosa Maskottchen für Frühstücks-Cerealien aus.
Zunächst traue ich mich nicht richtig, den Buchdeckel zu heben und zu lesen, aber ich rede mir ein das ich schliesslich weiß was ich zu erwarten habe. Viel habe ich darüber gehört und gelesen, und der Hype um die erst vor kurzem veröffentlichten Filme haben mich bisher erfolgreich davon abgehalten meinen Feind kennenzulernen. Dann sehe ich, das ich die englische Originalfassung in Händen halte, was mich positiv überrascht. Vielleicht lerne ich sogar was dabei. Und wenn es bloss eine Erweiterung meines Englisch-Vokabulars ist. „So schlimm wirds schon nich’ sein“, sage ich mir als ich anfange zu lesen.

Bücher begleiten mich schon mein Leben lang. Sowohl gute wie auch schlechte, Klassiker und zeitgenössische Literatur. Schon als Teenager habe ich meine Liebe für schlechte aber unfreiwillig komische Bücher entdeckt, was sich in späteren Jahren auch auf Filme und das Internet ausgeweitet hat. "Haha, welcher Körperteil is denn bitte eine 'hungernde Männlichkeit'??" Besonders die Klischee-Literatur und populistische Bestseller haben es mir angetan. Manchmal habe ich das Bild eines chaotischen Literaturwissenschaftlers aus den Zwanzigern im Kopf, mit dem ich mich 200-prozentig identifizieren kann. Ich bin eine neuzeitliche Version des Shareware-Geek-Prototypen, vrs. 2.0 von 1928. Meine Kindheit verlief genauso wie man es von einem Bücherwurm erwartet, kaum Freunde und ein soziales Leben so gut wie nicht vorhanden. Meine Misanthropie von heute hat damals ihren Grundstein gelegt bekommen und heute bin ich dankbar dafür. Die Lieblingsbücher meiner Kindheit geistern durch meinen Kopf, jede Menge Fantasy. Ich bin vom Fach. Abermals seufzend blicke ich von der zweiten Seite des Buches auf, von einem heftigen nostalgischen Flashback getrieben. Ich muss mehr lesen, in letzter Zeit viel zu wenig. Mein Schlechtes Gewissen meldet sich, im Geiste schweift mein Blick über mein Bücherregal und ich nehme mir vor wieder mehr Zeit zu investieren. Ich sitze viel zu viel im Internet.

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