Freitag, 5. März 2010

Arbeitsamt.

„Wer permanent nur das schlimmste erwartet, wird hin und wieder positiv überrascht.“

Das einzige was schlimmer ist als ein zynischer Misanthrop ist ein gut gelaunter Misanthrop. Witzig, ausgerechnet heute habe ich einen Termin beim Arbeitsamt. Warum wache ich ausgerechnet heute auf und bin ein Gänseblümchen im Sonnenschein? Ich suche etwas zu essen und kippe nebenher meinen obligatorischen kalten Schwarztee auf Ex runter. Meine Lieblings-Schlabberjeans sieht heute ungewöhnlich vorteilhaft an mir aus. Ich beschliesse dieses Paradox auszutesten und werfe mir ein blau kariertes Holzfällerhemd in Männergröße über. Im Spiegel betrachte ich das Bild einer augenringigen Bohemé im Studentenstil und wundere mich einfach nur noch maßlos. Was passiert hier?
Mit einem kritischen Blick auf die Uhr ziehe ich mir in Rekordgeschwindigkeit meine ungeschnürten Chucks an und renne aus dem Haus. Warum bin ich heute so verdammt gut gelaunt? Nach insgesamt dreieinhalb Stunden Schlaf wundert mich das nur umso mehr. Ein Boxenstop beim Bäcker an der Ecke unterbricht das Gedankenexperiment und mit einem halben Liter Cappuccino mache ich mich wieder auf den Weg.
Manchmal überrascht uns das Leben entgegen aller Erwartungen mit kleinen Dingen über die wir uns (manchmal unfreiwillig) freuen. Sei es ein wenig Sonnenschein nach einem langen, verdammt feuchten und kalten Winter, ein Sandwich mit Bacon oder die Tatsache das die Leute im Bus einen nicht so sehr anstarren wie sonst. Doch sobald die Freude über die nachgelassene Paranoia nachgelassen hat, beginne ich wieder nachzudenken.
Warum hasse ich die Menscheit heute weniger als gestern? Liegt das tatsächlich am guten Wetter, am gutem Kaffee oder eher an der Tatsache, das manche Tage einfach besser laufen als andere? „Guten Morgen Menscheit! How you’re doin’ tonight? Good? Well, then FUCK YOU! Nur damit ihr euch wohl fühlt.“ Ich versuche mir vorzustellen wie ich wohl geworden wäre, wenn ich vor einigen Jahren anstatt zum zynischen Misathropen zum optimistischen Opportunisten geworden wäre. Alles eine Frage der Einstellung! Zumindest laut einigen Leuten die mir mächtig auf die Genitalien fallen.
Ob mein Leben anders verlaufen wäre oder ob es zumindest leichter zu ertragen wäre. Mir läuft ein Schauer über den Rücken als ich mich vorm inneren Auge als mässig intelligente, Chanel-Barbie-Queen in einem Büro sitzen sehe. Ich schlürfe den Milchschaum leer und komme zu dem Schluss, das es eigentlich gar nicht schlecht ist, sich in einer Wolke aus Ironie, Sarkasmus und Zynismus zu verstecken; und das ich die dunkle Wolke einer Glitzerblase aus Care-Bear-Innereien, Sonnenschein und Lollipops in jedem Fall vorziehen würde. Und der Kaffee ist heute wirklich verdammt gut. Und dann merke ich auf halber Strecke des Wegs das ich das wichtige Schriftstück fürs Arbeitsamt vergessen habe.
Der Mensch ist kein Eisklotz und selbst Misanthropen haben manchmal ihre fünf Minuten. Das große Dilemma der Misanthropie ist, das man zwangsläufig alle Menschen nicht leiden kann und das schliesst die eigene Person mit ein. Ob sich das nun in zwanghaftem Selbsthass oder einfach nur schlicht im zwanghaften Nagelkauen/Pickel ausdrücken/behindern eines Saftpressenfachangestellten in Ausübung seiner Pflicht äussert, ist in diesem Fall unwichtig. Es ist ein Merkmal das fast alle Misanthropen dieser Welt miteinander verbindet. Neben den Augenringen. Und vielleicht die Koffein-Tablettensucht.
Lustigerweise ändert dieser Umstand nichts an meiner morgendlichen „Ist doch alles halb so schlimm“-Laune. Was mich mässig irritiert.
Mal sehn was das Tageshoroskop einer mehr oder minder bekannten Dame zur Situation zu sagen hat:

„In den letzten Tagen machte sich Unsicherheit bei Ihnen breit. Jemand hat Sie auf neue Ideen gebracht, die Ihnen nun durch den Kopf gehen. Es fällt Ihnen besonders schwer ein eingefahrenes Denkmuster aufzugeben und möglicherweise in neue Bahnen einzulenken. Alte Denkmuster sollten jedoch gerade jetzt in einer Umbruchsphase über Bord geworfen werden. Der psychische Stress tut auch Ihrem Körper nichts Gutes, mit der Zeit merken Sie die Beanspruchung. Hindernisse sind in diesem Zustand kaum noch von alleine zu bewältigen.“

Neat. Wenn ich an sowas wie astrologische Vorsehung glauben würde, wäre ich direkt beiendruckt. Das kosmische Schicksal meint es gut mit mir, und ich komme dank einem lokalen Taxi-Unternehmen nur 10 min. zu spät.

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